Hintergrund und Informationen zur RDG-Verfassungsbeschwerde

Der Bundesverband führt derzeit ein Musterverfahren mit dem Ziel einer Verfassungsbeschwerde im Rahmen des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG), um die berufliche Situation der Absolventen der Studiengänge Wirtschaftsrecht zu stärken. Hier haben wir Ihnen unsere Ziele und einige Hintergrundinformationen zusammengestellt.

Die Einzelheiten zu dem Fall lesen Sie bitte in dem dortigen Beitrag zur Ausgangssituation nach unter http://www.wjfh.de/wir-ueber-uns-uebersicht/verfassungsbeschwerde/167-unterlassungsklage-wegen-unerlaubter-rechtsberatung.html.

Ausgangslage

Das im Jahr 2008 in Kraft getretene Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) regelt de facto, wer in Deutschland einer selbständigen beruflichen Tätigkeit im Bereich der Rechtsberatung, außerhalb der Rechtsanwaltschaft, tätig sein darf. Dabei bleibt die allgemeine freiberufliche Rechtsberatung der Rechtsanwaltsschaft exklusiv vorbehalten. Das RDG erlaubt lediglich die Beratung in bestimmten Teilbereichen, nach Feststellung der individuellen Eignung eines Kandidaten. Neben dem RDG gibt es noch die Möglichkeit einer Erlaubnis zu einer Tätigkeit als Versicherungsberater in der Gewerbeordnung, die auch eine eingeschränkte Erlaubnis zur Rechtsberatung zum Gegenstand hat (im Bereich der Schadenabwicklung).

Die an den Fachhochschulen und Universitäten ausgebildeten Wirtschaftsjuristen werden hingegen auf eine Tätigkeit als juristische Berater vorbereitet. Diese Tätigkeit dürfen diese aber nur im Angestelltenverhältnis für ihren Dienstherren ausüben. 

Ausbildung der Rechtsanwälte in Deutschland

Die Ausbildung der Rechtsanwälte hat in Deutschland gerade nicht die Beratung / Tätigkeit als Rechtsanwalt zum Gegenstand. Tatsächlich zielt die Ausbildung an den Juristischen Fakultäten und dem anschließenden Referendariat nicht auf den Beruf des Rechtsanwaltes ab, sondern ausschließlich auf die Vorbereitung zum Richteramt.

Eine speziell auf die Bedürfnisse der Rechtsanwälte zugeschnittene Ausbildung gibt es in Deutschland nicht. Auf Grund schlechter Examensnoten haben die meisten Absolventen der klassischen Juristenausbildung gar keine andere Wahl, als später als freiberufliche Rechtsanwälte zu arbeiten. Natürlich arbeiten auch viele sehr gute Absolventen als Rechtsanwälte, aber unter den Richtern, Staatsanwälten und Verwaltungsjuristen finden sich im Gegensatz dazu keine vierer Absolventen (dem größten Teil der Absolventen). Dabei liegt ein Grund der schlechten Examensnoten sicherlich auch in der zu wenig spezifischen Ausbildung begründet.

Ausbildung der Rechtsanwälte in England

Es ist nicht verwunderlich, dass den Rechtsanwälten in Deutschland während ihrer Ausbildung auch nicht die für Sie wesentlichen Bestimmungen der Berufsordnung und des Gebührenrechts zwingend vermittelt werden. Das ist in anderen Ländern undenkbar. In England gehört zum Pflichtprogramm der Ausbildung der Rechtsanwälte nicht nur das Berufs- und Gebührenrecht, sondern auch zwingend ein Buchhaltungskurs und Buchhaltungsexamen für Anwälte.

Gerade England ist ein gutes Beispiel für ein anderes funktionierendes System. Dort wird sogar überlegt, die Rechtsberatung ohne vorheriges Studium, in einer Ausbildung, zu vermitteln. Mehr als ein dreijähriges Studium und ein Examen ist in England jedenfalls zunächst nicht erforderlich, um als Solicitor tätig werden zu dürfen. Dabei hat ein Solicitor zunächst keine Befugnis vor einem Gericht in einer mündlichen Verhandlung aufzutreten. Dies darf grundsätzlich nur, wer als Barrister zugelassen ist. Zulassungsvoraussetzung ist eine siebenjährige Tätigkeit als Solicitor. Barrister haben dafür keinen Mandantenkontakt und wickeln die gerichtliche Tätigkeit über den Solicitor ab.

Berücksichtigt werden muss bei dieser Betrachtung, dass die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in Deutschland traditionell weit umfangreicher ist, als die eines bloßen Rechtsberaters oder Solicitor / Barrister in England. Der Rechtsanwalt ist in Deutschland sowohl Rechtsberater als auch Prozessvertreter seines Mandanten. Anhand des englischen Modells ließen sich nach Ansicht des WJFH vernünftige Modelle auch für die Befugnis zur Rechtsberatung für Wirtschaftsjuristen ableiten.      

Wer in Deutschland eine allgemeine Erlaubnis zur Rechtsberatung erhalten will, muss sich zwingend zum Richter ausbilden lassen. Die Ausbildung dauert dabei mindestens 6,5 Jahre (9 Regelsemester, zzgl. 2 Jahre Referendariat).

Die Ausbildung zum Wirtschaftsjuristen dauert im neuen Bachelor-/Master-Model je nach Hochschule zwischen 8 und 10 Semester bis zum Masterabschluss.

Zielsetzung des Musterverfahrens

Das Minimalziel der Verfassungsbeschwerde muss sein, dass den Absolventen der Studiengänge Wirtschaftsrecht (jedenfalls mit Diplom- oder Masterabschluss) anerkannt wird, das diese in ihrem erlernten Fachgebiet auch vollumfänglich selbständig tätig sein dürfen und sie daher einen Anspruch darauf haben, dass der Gesetzgeber die entsprechenden Voraussetzungen hierfür schaffen muss.

Im bestmöglichen Fall wird den Absolventen der Studiengänge Wirtschaftsrecht dieses Recht schon jetzt zugesprochen - alleine qua Studienabschluss.

Als konkrete Umsetzung wäre eine Änderung des RDG in §§ 10,11 wie folgt denkbar:

§ 10 durch Einführung einer Nr. 4:

"4. Rechtsdienstleistungen im Bereich des Wirtschaftsrechts."

§ 11 durch Einführung einer neuen Nr. 4:

"4. Rechtsdienstleistungen im Bereich des Wirtschaftsrechts erfordern besondere Sachkunde in den für die Unternehmen bedeutsamen Gebieten des Rechts. Die Sachkunde wird durch einen Diplom- oder Masterabschluss in einem wirtschaftsrechtlichen Studium nachgewiesen."


Die Verzahnung aller Lebensbereiche mit juristischen Problemstellungen nimmt stetig zu. Wirtschaftsjuristen könnten für Unternehmer und Privatpersonen in den Schnittstellen beratend tätig werden. So wäre ein Sanierungsberater in der Lage nicht nur die betriebswirtschaftlich notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, sondern er könnte auch den rechtlichen Rahmen mitgestalten oder z. B. Verträge auf ihre Angemessenheit überprüfen. Insbesondere in Feldern, die für Privatpersonen immer undurchsichtiger werden, beim Abschluss von Versicherungsverträgen oder Kapitalanlagen könnten Wirtschaftsjuristen beratend tätig werden. Ebenso geeignet wären die Bereiche des Forderungsmanagements oder der Schuldnerberatung. Mögliche Einsatzgebiete gäbe es viele.
 
Mindestvoraussetzungen der Ausbildung für die Rechtsberatung

Auch der WJFH ist der Auffassung, dass die Rechtsberatung nicht vollständig freigegeben werden sollte. Die Qualität der Rechtsberatung muss zum Schutz der Rechtssucheden Bevölkerung gesichert werden.

Bachelorabschlüsse nicht ausreichend

Zunächst hält der WJFH es für erforderlich, dass die Zulassung zur Rechtsberatung ein intensives nachhaltiges Studium zur Grundlage haben muss. Nur so ist zu gewährleisten, dass die späteren Rechtsberater sich hinreichend mit den juristischen Methoden und Arbeitsweisen vertraut gemacht haben. Ein Bachelorstudium ist nach Auffassung des WJFH hierfür zu kurz. Eine Studiendauer von 4 Jahren (8 Regelsemester) sollte nicht unterschritten werden. Zum Nachweis der weiteren akademischen Vertiefung hält der WJFH einen Masterabschluss als Mindestanforderung für die Zulassung zur Rechtsberatung für erforderlich.

Alte Diplomabschlüsse

Grundsätzlich ist die Studiendauer der alten Diplomabschlüsse ausreichend für eine Tätigkeit als Rechtsberater. Soweit der WJFH ferner eine vertiefende akademische Qualifikation in Form eines Masterabschlusses für erforderlich hält, muss ein fehlender Masterabschluss auch mit nachhaltiger praktischer Erfahrung kompensierbar sein.

Möglichkeiten der Qualifizierung

Es stellt sich letztlich die Frage, welche Ausbildungsoptionen ggf. geschaffen werden könnten, um zum Einen den Wirtschaftsjuristen eine Erlaubnis zur Rechtsberatung zu ermöglich und dabei zum Anderen, die Qualität der Ausbildung hoch zu halten. 

Komplettreform

Am sinnvollsten erscheint dem WJFH eine vollständige Reform der Juristenausbildung. Nach dem Studium sollten Absolventen der juristischen Studiengänge eine einheitliche weiterführende Ausbildung durchlaufen. Hierzu sollte ein anschließendes Referendariat für Jurastudenten und Wirtschaftsjuristen obligatorisch sein und mit einem gemeinsamen Examen enden.

Dabei müsste nach Meinung des WJFH das Examen ein konkretes Berufsbild vor Augen haben und entsprechend ausgerichtet werden. Jurastudenten sollten die Möglichkeit haben ein Anwalts- oder Richterexamen zu absolvieren und Wirtschaftsjuristen sollten die Möglichkeit haben, ein Anwaltsexamen zu absolvieren.

Der WJFH ist allerdings realistisch genug, um einzuschätzen, dass die klassisch ausgebildeten Juristen für Reformen nicht zugänglich sind und lieber weiter am Markt und den Bedürfnissen der Zeit vorbei ausbilden, als an der Ausbildung grundlegende Änderungen zu beschließen.

Aufbaustudium

Denkbar ist es, dass Wirtschaftsjuristen mit einem Masterabschluss nach Ihrem Studium eine Zusatzqualifikation in Form eines Aufbaustudiums und / oder speziellen Referendariats absolvieren, um die fehlende praktische Erfahrung im Vergleich zur klassischen Ausbildung auszugleichen.

Dabei muss überlegt werden, ob ein Studium auch die im Wirtschaftsrechtsstudium zumeist nicht gelehrten Inhalte (Straf- und Verwaltungsrecht) ergänzen soll, so dass eine unbeschränkte Erlaubnis erteilt werden kann oder ob Wirtschaftsjuristen eine auf das Wirtschaftsrecht beschränkte Erlaubnis erhalten sollten. Letztere Variante erscheint dem WJFH schwierig, weil es zwangsläufig häufig zu Abgrenzungsfragen kommen würde und daher auch nicht im Sinne der Rechtssuchenden Bevölkerung sein kann.
 
Der Umfang der Erlaubnis könnte von einer reinen außergerichtlichen Rechtsberatung, über eine Erlaubnis zur Vertretung vor den Amtsgerichten oder einer Vertretung vor den Gerichten 1. Instanz bis zu einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft reichen. Abzuschließen wäre eine solche Ausbildung sicherlich mit einem entsprechenden Examen.  

Realistisch und vom WJFH angestrebt, ist zunächst eine Erlaubnis zur Erbringung der außergerichtlichen Rechtsberatung.
 
Der WJFH ist der Berufsverband für Absolventen der Studiengänge Wirtschaftsrecht in Deutschland. Er setzt sich seit über 10 Jahren für die Belange seiner Mitglieder ein. Informationen finden Sie auf der Verbandshomepage unter http://www.wjfh.de.